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| Jailbirds |
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Altonaer Theater
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Mit „Jailbirds“ kann sich das Altonaer Theater im Sommer 2008 über eine Bereicherung in seinem Spielplan und das Publikum über ein neues Country- Musical freuen. Mit einem kleinen Zeitensprung wird es zurück in die siebziger Jahre versetzt und erlebt die Härten des Gefängnisalltags irgendwo in Georgia, wo ein dickbäuchiger und rassistischer Chief den Häftlingen ordentlich zusetzt. Auch der Verlegenheits-Scheckbetrüger Billy muss lernen, dass zwei Formen der Justiz existieren: der gesetzliche Strafvollzug und die Selbstgerechtigkeit der Gefängnisdirektion, die durch den Chief verkörpert wird. Er hat sich zum Ziel gesetzt, dem „weißen Antlitz“ des Landes zu noch mehr „Reinheit“ zu verhelfen und handelt nach seiner Maxime: „Was du hier bist, entscheide ich!“. Dass seine Handlungsfreiheit ähnlich grenzenlos wie die Prärie für Cowboys scheint, lässt auch beim Gouverneur Bedenken aufkommen. Als dieser einen Musikwettbewerb ankündigt, bei welchem der Erstplatzierte mit Amnestie belohnt wird, entdecken die Inhaftierten ihre musikalische Seite und strapazieren die Nerven des ohnehin überreizten Chiefs.
Mit „Jailbirds“ knüpft Mathias Christian Kosel an seine bisherigen Musicalerfolge an, von denen einige im Altonaer Theater erstmalig aufgeführt wurden. Anders als „Sing! Sing! Sing!“, das die Story der Andrew Sisters erzählt und „Sister Soul“, bei dem eine komödiantische Stoffvorlage mit einigen Abweichungen als Singspiel aufbereitet wurde, ist „Jailbirds“ ein gesellschaftskritisches Stück, das sich an provokante Themen mit aktuellem Bezug heranwagt und diese musikalisch unterlegt. Den Titelsong hat Mathias Christian Kosel selbst komponiert. Er fungiert als gesungene „Ouvertüre“, die dem Publikum einen Überblick über die Hauptfiguren und ihre Biografien gibt. Der von der Melodie her heitere Country-Song mit seinem die Geschichten der Einsitzenden umreißenden Text ist die ideale Einstimmung auf das Musical. Gesungen wird das Lied von Holger Löwenberg in der Rolle des Banjo, der als Mitglied der Gefängnisband auf die Erlebnisse vergangener Tage zurückblickt. Die Schlüsselfigur des liebenswerten Draufgängers Billy wird von Michael Driesse sehr gut interpretiert. Mit seiner unkomplizierten Art gewinnt er selbst die Sympathie der sturköpfigen Knackis. Mit dem von ihm in der Mitte des ersten Aktes gesungenen Folklore-Song „O Susannah!“ und dem mitreißenden Titel „Thank God I’m A Country Boy“ zu Beginn des zweiten Aktes entpuppt sich Michael Driesse als Energiebündel, das den „zündenden Funken“ aufs Publikum überspringen lässt. Eine dramaturgische Aufwertung erhält das Stück in der Inszenierung von Georg Münzel durch Mario Ramos, der durchweg sehr amüsant den hitzigen Italiener Tabacco spielt, sowie Thomas B. Hoffmann, der als introvertierter Indianer Duck Eggs für tiefgründige Momente sorgt. Obwohl „Jailbirds“ vor allem durch Kontinuität in der Handlung überzeugt, die nicht mit dem Musikwettbewerb endet, weist das Musical auch einige Schwächen auf. So ist die Figur des in seinem Büro mehrfach herumballernden Chiefs von Anfang an so übermäßig klischeehaft angelegt, dass dessen Entlassung durch den Gouverneur eher eine Befreiung für das Publikum sein dürfte als für die Häftlinge. Der Autor hätte sich mehr auf die große Spielkunst des auch beim Singen schnellzüngigen Jan Peter Heyne verlassen sollen. Schließlich ergibt sich schon genügend Trennschärfe zu den bunten Biografien der Gefangenen durch die Figur des ebenfalls selbstgefälligen Gefängniswärters Smith (Frank Meyer-Brockmann). Die Möglichkeiten, durch eine pointierte Ausgestaltung von Beziehungen Atmosphären zu erzeugen, werden nicht ausgeschöpft. Während die sich langsam entwickelnde und schnell festigende Freundschaft von Billy und dem farbigen LaMotte (Darren Perkins) ausführlich beleuchtet wird, scheint Billys Verhältnis zu seiner Frau Rose (Anna Bauer) trivial, zumal die Versöhnung der beiden die Schluss-Szene bildet. Zwar könnte das hörenswerte Duett wie das von Michael Driesse und der stimmgewaltigen Anna Bauer sehr gut den krönenden Abschluss bilden, doch braucht ein so liebreizender Schluss auch einen glaubhaften dramturgischen Vorlauf. Da die Beziehung der beiden nur in wenigen Szenen abgehandelt wird, scheint die Romanze als Happy End für das gesamte Stück konstruiert. Die Mischung von Folklore-Titeln und Country-Songs von Sängern wie Johnny Cash und John Denver zeichnet das Stück aus. Es sind aber unter den vielen Gesangsbeiträgen nur wenige typische „Knastsongs“ und große Hits der jeweiligen Künstler vertreten. Für die musikalische Begleitung sorgen die Mitwirkenden mit Gitarre, Banjo und Geige selbst. Sie werden vom musikalischen Leiter Mathias Christian Kosel am Piano unterstützt.
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