Sing! Sing! Sing!

Altonaer Theater

Man möchte beinahe meinen, das im Altonaer Theater 2003 uraufgeführte Musical heiße nicht „Sing! Sing! Sing!“, sondern „Come! Come! Come!“. Das wäre eine Erklärung dafür, dass selbst die Vorstellungen während der Woche sich so gut verkauften. Für eine andere, treffender Erklärung muss man das Stück selbst gesehen haben. Da waren drei Schwestern aus dem Bundesstaat Minnesota, die es ernst mit der Absicht meinten, singen zu wollen, die sich nicht von einem erbosten und schimpfenden Produzenten einschüchtern ließen, die es schafften, die so früh entstandene Vision vom Erfolg zu verwirklichen. 1938 hatten sie einen Hit aufgenommen, der sie unerwartet in das Showbusiness katapultierte. „Bei mir bist du schön“ war das Ticket zur Karriere. So kennt man heute die Boswell Sisters – einst Vorbild von Patty, Maxene und LaVerne - nur noch im Kontext der Andrews Sisters. Aufgrund des fetzigen Steppens und der flapsigen Comedy fassten sie schnell Fuß im Showgeschäft. Der Swing als ihre besondere Stilrichtung wurde so populär, dass die Armee ihres Heimatlandes neue, weitgeschnittene Uniformjacken entwickeln musste, damit selbige beim Tanzen weniger Schaden nahmen. Während Patty, die sich der Wichtigkeit als erster Sopran des Trios sehr bewusst war, als die „Glanzvolle“ betitelt werden kann, überzeugte die mürrische Maxene als zweiter Sopran mit ihrer Ausstrahlung, wohingegen die herrische, bodenständige LaVerne mit ihrem Alt auf der Bühne wie auch dahinter den Takt bestimmte. Ihre „Einstimmigkeit“ vor dem gemeinsamen Mikrofon war oft das Spiegelbild zu den unterschiedlichen Meinungen, die sie von der Arbeit hatten. Aber die unerreichte Stärke der Drei lag in ihrem Talent, sich immer, wenn es darauf ankam, einig zu sein. Mehr als 90 Millionen verkaufte Tonträger sind der Beleg dafür. Dem Publikum wird ein perspektivenreicher Rundumblick auf die Karriere der drei Schwestern ermöglicht- vom schlagartigen Erfolg des ersten aufgenommen Titels „Bei mir bist du schön“, der zur Hymne der Andrews Sisters wurde, bis zur Verbitterung über den Ausbruch des Krieges.
Die erschreckende Darstellung des Krieges innerhalb der Biografie des Star-Trios nimmt der Produktion den Charakter einer Revue, bei der sich jede Handlung auf das Ausfüllen der Pausen zwischen den Liedern beschränkt. „Sing! Sing! Sing!“ ist ein wirkliches Musical, das um die Geschichte der Andrews Sisters herumgebaut wurde und das das musikalische Werk der Schwestern aus Minneapolis in den Mittelpunkt stellt. Die unterschiedlichen Charaktere der Sängerinnen werden eindrucksvoll umgesetzt von Charlotte Heinke als Patty, Viktoria Fleer als Maxene und Katrin Gerken als LaVerne, die allesamt auch stimmlich überzeugen. „Der Krieg nimmt uns das Publikum“ war die bittere Erkenntnis von Patty. Doch wie Autor und Regisseur Mathias Christian Kosel im zweiten Akt zeigt, nahm er den Andrews Sisters nicht das Publikum, er beraubte sie aber der Möglichkeit ihrer glanzvollen Auftritte an berühmten Veranstaltungsorten und verschlug die Sisters an die Front. Den schnell aufheiternden Swing, ihre besondere Stilrichtung, konnten sie den schweren Märschen der Truppen entgegensetzen und wurden dadurch quasi instrumentalisiert. Die Andrews Sisters avancierten zu den „Wartime Sweathearts“, die nicht mehr in den Garderoben von Showtheatern residierten, sondern wie ihr Auditorium in Zelten campierten. Zu kritisieren wäre vielleicht, dass im Musical die Fortsetzung der Karriere der Andrews Sisters nach Ende des Krieges verschwiegen wird und dass jeder Hinweis auf die Filmkarriere des Trios fehlt. Doch vermutlich hätte das den so gelungenen Kontrast vom Glamour im ersten Akt und der Tristesse im zweiten überfrachtet.