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| Räuber Hotzenplotz |
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Schmidt Theater
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Als der rote Vorhang sich bewegt, gibt er zunächst nur den Blick auf ein Puppentheater frei. Zwei Handpuppen stimmen auf das märchenhafte Musical ein, in dem der Zipfelmützenträger Kasperl und der Lederhosen tragende Dorfbursche Seppel die Hauptfiguren sind. Beide springen hinter dem Puppentheater hervor und vollziehen sozusagen den Sprung in die Handlung und damit den eigentlichen Beginn des Musicals. „Der Hotzenplotz“ klingt aus ihrem Mund als fast feierlicher Refrain des Auftaktsongs. Der Hotzenplotz lebt dem Gesetz zum Trotz heißt es zumindest sinngemäß in einem der Reime. Und das stimmt aufs Wort genau, denn der Räuber narrt schon lange den Wachtmeister Dimpflmoser und seine Helfer, ohne eine Spur zu hinterlassen. Auch die tolle Kaffeemühle der Großmutter wird schnell zum Raubobjekt des Flinkefingers, der sein Versteck irgendwo im Wald hat. „Wir brauchen eine Spur“ lautet daher das musikalische Motto von Kasperl und Seppel, die dem Unhold auf die Schliche kommen und ihm sein Handwerk legen wollen, um die Kaffeemühle der Großmutter zurückzubekommen. Nur „so mirnichtsdirnichts lässt sich ein Räuber nicht fangen“. Das wissen auch die beiden Helden der Geschichte, die mit ihrem Plan auf die Nase und dem Räuber in die Hände fallen. Während Seppel die Wäsche waschen muss, soll Kasperl Hausarbeiten für den unheimlichen Zauberer Zwackelmann verrichten, in dessen Dienste er überstellt wurde. Als der junge Held dem Geheimnis des Zauberers und seiner Burg auf die Schliche kommt und Zwackelmann das bemerkt, eilt dem Kasperl eine gute Fee zu Hilfe und befreit die beiden mutigen Helden aus ihrer Lage, so dass sie den Hotzenplotz schließlich dem Wachtmeister übergeben können.
Der Stoff aus der Literaturvorlage von Otfried Preußler ist wie für ein Musical gemacht und gut für eine musikalische Fassung geeignet. Das beweisen Martin Lingnau als Komponist und Heiko Wohlgemuth als Texter. Das Autorengespann hat die Prosavorlage gekonnt in eine Musicalfassung übersetzt. Heiko Wohlgemuth hat leichtverständliche Strophen zu den abwechslungsreichen Melodien von Martin Lingnau beigesteuert, trägt doch der Hotzenplotz mehrere Arbeitswerkzeuge an seinem Gürtel- alle aus feinstem Stahl und sieben an der Zahl. Der Humor behält genug Raum- auch in den Songs. Und Martin Lingnau ist in seinen Kompositionen wieder bemerkenswert kreativ. Der Titelsong „Der Hotzenplotz“ bekam den Stil einer Karussellorgelmusik verpasst und ist daher eingängig und leicht mitsingfähig. Das Lied, das der Hotzenplotz selber zu Gehör bringt, ist hingegen eher lamentierend, aber nur ironisch schwermütig. Denn Hotzenplotz beklagt einerseits seine immer magerere Ausbeute, preist sich anderseits aber als vielseitigen Könner an, der auch eine Bank hätte leiten können, wo er an der Quelle gesessen hätte. Zauberhaft singt die gute Fee am Ende des Stückes. Ihre Melodie lädt zum Träumen ein und ist durchweg positiv emotional. Martin Lingnau sorgt an passender Stelle für ein Stimmungshoch, das er als Finale verwendet. So schließt er mit seinen Kompositionen in diesem Stück den Kreis, der dem Spannungsbogen des Stückes folgt. Denn die heitere Zusammenführung der Helden mit ihrer Großmutter ähnelt der Anfangsszene und schließt die runde Handlung ab. Carolin Spieß hat die Geschichte detailliert in Szene gesetzt. Keine Pointe wird vergeudet, sondern gut ausgespielt. So raubt der Hotzenplotz erst nach ausgiebiger Selbstpräsentation und nach einem mehrmaligen Besitzerwechsel seiner Pfefferpistole, bei dem er selbst fast die Übersicht verliert, die Kaffeemühle. Denn schon mit seiner Selbstinszenierung hat er alle Hände voll zu tun, so dass er im Überschwang seine Räuberwerkzeuge und das Diebesgut nur abwechselnd zur Hand nehmen kann. Die Szene mit der Sandkiste als Falle für den Räuber ist ebenfalls sehr gelungen. Zunächst streckt Hotzenplotz sein Fernrohr in Richtung der vermeintlichen Goldkiste, deren Aufschrift er nicht sofort lesen kann, dann rätselt er, wie er die Sandkiste am bequemsten transportieren kann und erkennt nicht den Vorteil des Handwagens, dessen er sich entledigt. Torsten Hammann (alternierend Götz Fuhrmann) leistete bei der Premiere in dieser Rolle ganze Arbeit. Trotzig, grimmig und ungeschickt lässt er den Hotzenplotz daherkommen und immer nachvollziehbar in Bezug auf sein Handeln vor dem Hintergrund seiner halbdurchdachten Pläne. Markus Richter glänzt in der Doppelrolle des Wachtmeisters und Zauberers. Der Wachtmeister ist stur formal überkorrekt, aber praktisch nicht zu gebrauchen, während der unheimliche Zauberer an der Diskrepanz von Eitelkeit und Können scheitert. Die Charakterzüge der Figuren werden sehr gut ausgespielt, auch die liebevolle Einfältigkeit von Kasperl, gespielt von Mario Saccoccio und Seppel, gespielt von Manuel Ettelt, überzeugt. Annic-Barbara Fenske (alternierend Elena Zvirbulis) spielt die gute Fee und Großmutter warmherzig und mit großem Ausdruck in der Stimme. Nicht unerwähnt sollen die Choreografien von Benjamin Zobrys bleiben, die der Art des Stückes gut angepasst sind. Beispielhaft dafür soll die Choreografie zu „Wir brauchen eine Spur“ erwähnt werden, wo der Choreograf Kasperl und Seppel geheimniskrämerische Schleichschritte zu beiden Seiten ausführen lässt, die so wirken, als würden sich die beiden Figuren auf dünnem Eis wie mit Schlittschuhen fortbewegen. Und das passt hervorragend zum Song, wo die beiden einen waghalsigen Plan schmieden. Insgesamt ist das Musical eine perfekte Übersetzung der Räubergeschichte in die musikalisch-darstellerische Form.
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